1701

 

 

Johann Mattheson, Grundlage einer Ehrenpforte, Hamburg 1740

 

Endlich ward ich [Georg Philipp Telemann] der Manteljahre satt, und sehnte mich nach einer hohen Schule, wozu ich Leipzig erkiesete. … Ein veranstaltetes Examen brachte den Ausspruch zu Wege, daß ich ein Jurist werden, und der Musik gäntzlich absagen sollte. Jenes war ohne dies meine Absicht; und zu diesem bequemte ich mich ohne allen Widerspruch, mit dem festen Vorsatze, auf einen geheimen Rath loß zu studiren; hinterließ auch meine gantze musikalische Haushaltung, und begab mich 1701. nach Leipzig, da ich unterwegens in Halle, durch die Bekanntschafft mit dem damahls schon wichtigen Hrn. Georg Fried. Händel,* beynahe wieder Notengifft eingesogen hätte. Allein ich hielt fest, und nahm meine vorige Gedancken wieder mit auf den Weg.

* Dieser war damahls kaum 16. Jahr alt.

[…]

Die Orgel in der neuen Kirche wurde fertig, und ich darüber, als Organist, wie auch zum Musikdirectore bestallet. … Die Feder des vortreflichen Hn. Johann Kuhnau diente mir hier zur Nachfolge in Fugen und Contrapuncten; in melodischen Sätzen aber, und deren Untersuchung, hatten Händel und ich, bey öfftern Besuchen auf beiden Seiten, wie auch schrifftlich, eine stete Beschäfftigung.

 

Er war … stärcker, als Kuhnau, in Fugen und Contrapuncten, absonderlich ex tempore; aber er wuste sehr wenig von der Melodie, ehe er an die hamburgische Oper kam.

[…]

Händel war damals u. lange hernach ein Fremdling in der Melodie; wuste hergegen von Fugen und Contrapuncten viel mehr als Kuhnau.[1]

 



[1] Händel Handbuch, 17.